Red Dot Award für einen Holzhocker
(veröffentlicht am 16. April 2013 auf badische-zeitung.de)

Der Holzhocker von Raphael Pozsgai bekommt den Red Dot Award. Foto: Manuela Müller

Der Holzhocker von Raphael Pozsgai bekommt den Red Dot Award. Foto: Manuela Müller

HEITERSHEIM. Als Designer will sich Raphael Pozsgai nicht bezeichnen. Und das, obwohl er im Juli den Red Dot Award erhalten wird. Der Schreinermeister aus Heitersheim hat seinen Hocker bei diesem international bekannten Designwettbewerb angemeldet.

Pozsgai hat ein gutes Händchen für angesagtes Design: Der Red Dot ist sein dritter Preis. Den ersten gab’s in Wien für Vesperbrettchen mit Tierspuren – Igel, Auerhahn, Spatz, Luchs, Reh, Wildschwein. Für den Hocker ist es schon die zweite Auszeichnung. Seinen Lebensunterhalt verdient Pozsgai mit Auftragsarbeiten als Möbelschreiner. Er baut also Einzelstücke. Und manchmal schwirren ihm Ideen im Kopf herum, für die gerade kein Auftrag da ist. An denen feilt er dann. Wie an der Idee mit dem Hocker, der sich am Melkschemel orientiert.

Mit den Jahren wurden Optik und Konstruktion perfektioniert. Die Designbranche ist vom Ergebnis begeistert. Die Sitzfläche ist konvex gewölbt, aus durchgefärbten Holzfaserplatten mit abgerundeten Kanten: bequem und schick. Die vier Beine schräg: außergewöhnlich und modern. Die Konstruktion ohne Kleber und Metall: umweltfreundlich und klug. „Als Schreiner ist man Gestalter“, sagt Pozsgai. Gestalter sei ein schönes Wort, da stecke das Schaffen mit drin. Aber Designer?

Zum Designer im Sinne der Jury, die den Preis vergibt, wurde Pozsgai nach einigen Besuchen der Internationalen Möbelmesse in Köln. „Was die Aussteller dort können, kann ich auch“, sagte er sich und tat sich mit drei Kollegen zusammen. Sie stellten 2010 bei der Kölner Passagen, der größten deutschen Designveranstaltung, Möbel aus. Den Blick dafür, was den Leuten gefällt, bekam Pozsgai dort, wie er sagt.

Von den vier Schreinern blieben zwei, Raphael Pozsgai und Sebastian Schilling. Sie firmieren unter dem Namen Brettgeschichten. Um wieder bei den Passagen antreten zu können, versprachen die zwei dem Veranstalter, ganz dick aufzutragen: Heimat, Schwarzwald – auch wenn Heitersheim da nicht direkt drin liegt. Für die Kölner Veranstalter stimmte die Richtung, für die Heitersheimer Schreiner auch. An ihrem Stand hatten sie Gesellschaft von einem ausgestopften Wildschwein. Der Hocker mit schwarzer Sitzfläche hieß nun Angus wie die Rinderrasse. „Die Leute wollen nicht nur ein Möbelstück, sondern auch eine Geschichte dazu“, sagt Pozsgai. Er trifft den Nerv der Zeit: Heimat ist in Mode – auch in der Einrichtungsbranche. Fürs Heimatgefühl wird Angus in einer kleinen Box, auf Stroh gebettet, geliefert – mit Hammer zum Zusammenklopfen. Ganz einfach zum Selbermachen und doch ein ausgezeichnetes Designstück mit Heimatgeruch.

BZ vom 16 April 2013 (PDF)